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Der Richter und das Mehl

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Vorbemerkung

Die Sprachen Deutsch und Jiddisch sind sich recht ähnlich. Allerdings gibt es einen Unterschied: Jiddisch hat Humor. Hebräisch und Arabisch sind ebenfalls  verwandte Sprachen und es gibt einen Unterschied: Arabisch hat Humor. Wir Israelis benutzen die arabische Sprache in unserem täglichen Leben, denn sie würzt es mit Pfeffer und Witz. Und so würze ich meine Orientalische Märchen mit dieser Sprache:


 Vorhang
 

Die Frau, der Kadi, und das Mehl

Eines Tages sagte eine Palästinenserin zu mir: Walla, ja Revital, wenn unsere Männer es nur zu schätzen wüssten, was wir Frauen an Arbeit leisten, wäre die Welt viel besser. Dazu erzähle ich dir eine Geschichte:

Eine Frau sitzt zufrieden in ihrem Haus und verrichtet ihre Arbeit, als auf einmal ihr Ehemann mit einem grossen Getreidesack ankommt: "Mara, [arabisch: Frau] mahl mir das zum Mehl". Die Frau schreit: "Ja Ahbal [Dummkopf], ich habe genug zu tun. Geh zu der neuen Mühle im Dorf!"

Der Mann schleppt sie zum Kadi, dem Richter. "Kadi, meine Frau will mir nicht gehorchen, sie will das Mehl nicht mahlen." Der Kadi ruft die Frau zu sich. Er befiehlt ihr nach Hause zu gehen und das Mehl zu mahlen.

Doch als die Frau vor dem Kadi steht, lässt sie wie zufällig ihren Schleier auseinander fallen. Hastig schliesst sie ihn wieder. Der Kadi ist von ihrer so Schönheit geblendet, denn diese Frau ist schöner ist als der Vollmond am 14. Tag.

Ganz leise sagt sie: "Kadi, wenn du sehen willst, wie ich mahle, komm morgen um 11 Uhr zu mir."

Der Kadi kann die ganze Nacht nicht mehr schlafen.

Am nächsten Tag steht er um 11 bei ihr.

Sie kocht Kahwa mit Hel [Kaffee mit Kardamom] und die beide trinken, als plötzlich starkes Klopfen an die Türe zu hören ist:

"Ui, mein Mann kommt!" sagt die Frau erschrocken.

"Wo kann ich hin?" fragt der Kadi.

"Nirgendwo," sagt sie. Zieh dir dieses Frauengewand über. Setz dich an die Mahlsteine. Ich sage meinem Mann, dass Dscharratna, [arabisch: unsere Nachbarin] mir zur Hilfe gekommen ist. Keine Sorge, bald geht er wieder." Als der Ehemann hereinkommt, sieht er eine sehr große, dicke Nachbarin, die an die Mahlsteinen am Boden sitzt und fleissig mahlt.

Die Frau nimmt sich Zeit, erzählt ihrem Mann von Gott und die Welt. Dem Kadi tut bald sein rechter Arm heftig weh! Und der Ellbogen auch! Dann tut der linke Arm weh und der Schulter auch! Innerlich kocht er und schickt die Frau mit ihrer Schönheit und dem Mehl zu Tausend Teufeln.

Doch die Frau erzählt heiter weiter, immer wieder schielt sie zum Getreidesack. Erst als die ganze Arbeit fertig ist, schreit sie plötzlich: "Ui, ich habe den Einkauf vergessen. Geh schnell auf der Markt und hole mir Badindschan [Auberginen] und Bordegan [Orangen], Batata und Tomata. Yalla, geh schon."

Der Ehemann geht erleichtert raus.

Der Kadi steht auf, wirft das Frauengewand und den Schleier weg und entschwindet schnell, bevor die Frau auf neue Ideen kommt.

***

Eine ganzen Monat lang hat unsere Frau viel Ruhe. Dann kommt der Ehemann und bringt einen neuen Sack voll Getreide:

"Mara, mahl mir das zu Mehl"

Die Frau schickt ihn mit Geschrei zu der Mühle. Der Mann schleppt sie wieder zum Kadi. Der Kadi bekommt fast einen Herzinfarkt, als er die zwei sieht:

"Was wollt ihr von mir?"

"Meine Frau will mir wieder nicht gehorchen und mahlt das Mehl nicht"!

In diesem Moment schreit die Frau ganz laut: "Oh, du Kadi, der du so gut weisst, wie mühsam es ist von Hand Mehl zu mahlen, sag diesem Mann, er soll endlich sein Getreide zur Mühle bringen!"

Der Kadi bekommt eine Idee: Er springt, packt den Mann am Kragen und sagt: "Jachrebettak,  [Jachrebettak ist ein relativ harmlosse arabische Schimpfwort, bedeutet: dass dein Haus zu Ruine wird] du Schuft! Hast du das verstanden? Geh endlich zur Mühle und lass mich in Ruhe mit deinem Mehl!"

Und so gehen ein verärgerter Mann und eine sehr vergnügte Frau wieder nach Hause.
 


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